Thüringer Wohnungswirtschaft fordert mehr Mittel zur Wohnraumförderung
vtw-Direktor Frank Emrich auf Verbandstag in Gera: „Herausforderungen aktiv und offensiv angehen“ +++ Schnellere und effizientere Prozesse notwendig +++ „Kulturwechsel“ hin zu mehr Entscheidungsfreude und Ergebnisorientierung +++ Ländlichen Raum stabilisieren und langfristig entwickeln
Gera. Auf dem 31. Verbandstag des Verbandes Thüringer Wohnungs- und Immobilienwirtschaft e. V. (vtw) hat Verbandsdirektor Frank Emrich eine Aufstockung der Mittel für die Wohnraumförderung im Freistaat gefordert. Zugleich plädierte er dafür, aktiv und offensiv die vielfältigen Herausforderungen anzugehen, vor denen die Thüringer Wohnungsunternehmen stehen. Dabei gehe es um globale Entwicklungen wie die inflationäre Steigerung der Baupreise, die aktuellen Probleme in internationalen Lieferketten, neue Klimaschutzanforderungen aus Brüssel und Berlin, aber auch den wachsenden Fachkräftemangel und eine zunehmende demografische Schieflage. Zugleich befinde sich Thüringen durch die abgesagte Landtagswahl in einer Situation, in der es an stabilen politischen Mehrheiten fehle.
„Die Thüringer Wohnungswirtschaft sieht diese Situation mit äußerster Besorgnis“, sagte Frank Emrich in seiner Rede zur Eröffnung der zweitägigen Veranstaltung im Geraer Kultur- und Kongresszentrum. Im Namen insgesamt 221 Mitgliedsunternehmen des Verbandes forderte er „Mut zur Entscheidung“ von den politischen Mandatsträgern und den Verwaltungen. „Wir brauchen ein stabil funktionierendes Land, eine funktionierende Regierung, Legislative und Exekutive.“ Eine entscheidende Voraussetzung dafür sei die Verabschiedung des Landeshaushalts 2022, die so schnell wie möglich erfolgen müsse.
Mittel zur Wohnraumförderung deutlich aufstocken und Vergabe beschleunigen
Der Haushalt müsse das Programm zur Wohnraumförderung finanziell angemessen ausstatten, forderte Frank Emrich vom zuständigen Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft (TMIL). „Die uns aktuell vorliegenden Eckdaten lassen erwarten, dass die Mittel für das Programm nicht ausreichen werden. Allein um die vorgelegten Projekte der jeweils vergangenen zwei Jahre umzusetzen, sind mindestens 150 Millionen Euro pro Jahr notwendig“, so der vtw-Verbandsdirektor. Ansonsten bestehe die Gefahr, dass das Interesse am Sozialwohnungsbau wieder sinkt.
Erheblich beschleunigen müsse sich auch das Verfahren bei der Vergabe von Fördermitteln. „Die Unternehmen der Wohnungswirtschaft, aber auch die Mieter benötigen dringend Entscheidungen zur Wohnraumförderung.“ Spätestens zum Ende dieses Jahres müsse eine verabschiedete Neufassung der Förderung für das Jahr 2022 vorliegen. „Wir sind bereit, Verantwortung zu übernehmen, aber wir müssen wirtschaftlich handeln, damit dies funktioniert“, sagte Frank Emrich. Der vtw setze auf das Bekenntnis der Landtagsfraktionen zum bezahlbaren guten Wohnen in Thüringen – heute und in Zukunft.
Attraktiver Wohnraum in ländlichen Regionen – wer fordert, muss auch fördern!
Angesichts von Bevölkerungsschwund, hohen Leerständen und niedrigen Mieteinnahmen mit einem daraus folgenden Mangel an Mitteln für Investitionen wies Frank Emrich erneut auf die Notwendigkeit eines Gesamtkonzepts zur Stabilisierung und Entwicklung des ländlichen Raums hin. „Wer wie wir mehr als 170 000 Wohnungen im ländlichen Raum für weniger als fünf Euro pro Quadratmeter vermieten muss, kann notwendige Investitionen fast nicht mehr leisten“, sagte Frank Emrich. Vor dem Hintergrund wiederkehrender politischer Forderungen nach gut ausgestattetem bezahlbarem Wohnraum in allen Regionen des Freistaats müsse hier gelten: „Wer fordert, muss auch fördern!“
Auch bei der Stärkung des ländlichen Raums biete die Thüringer Wohnungswirtschaft ihre Hilfe an – konzeptionell, praktisch und vermittelnd, sagte der vtw-Verbandsdirektor und verwies auf eine Reihe von Initiativen zu diesem Thema, in denen der Verband aktiv mitarbeitet. Ein Beispiel dafür ist das im Sommer gestartete Aktionsbündnis „Innenstädte mit Zukunft“ des TMIL, in das sich der vtw mit weiteren Partnern wie IHK, Gemeinde- und Städtebund sowie Handel, Kultur, DEHOGA und Tourismuswirtschaft einbringt. Hier geht es darum, gemeinsam Ideen zu finden, wie Stadtzentren gestärkt und zukunftsfähig aufgestellt werden können.
Schlankere und effizientere Prozess statt immer neuer Regulierungen
Einen „Kulturwechsel“ forderte Frank Emrich mit Blick auf Entscheidungsprozesse in Verwaltung und Politik: „Wir müssen weg von einer Mentalität der Absicherung hin zu einer Mentalität der Ergebnisorientierung.“ Vor der Einführung jeder neuen Regelung sollte geprüft werden, ob der gewünschte Zweck nicht besser beziehungsweise schneller mit einer Optimierung oder Verschlankung der Abläufe erreicht werden könnte. „Statt mehr Regulierung benötigen wir schlankere Prozesse, wo immer das möglich ist“, brachte es Frank Emrich auf den Punkt.
Wohnungswirtschaft muss Weichen strategisch klug stellen
An die Adresse der Verbandsmitglieder richtete Frank Emrich den Aufruf, sich zukunftsfähig aufzustellen und strategisch klug zu agieren. „Die Anforderungen an unser Produkt Wohnung verändern sich. Wir bewegen uns in einem harten Wettbewerbsumfeld“, sagte der vtw-Verbandsdirektor. „In unserem attraktiven Marktsegment müssen wir uns durch Kompetenz und Qualität behaupten.“ Dazu gehöre es auch, sich auf künftige Anforderungen wie zum Beispiel ESG (Environmental Social Governance) einzustellen. „Daran wird mittelfristig kein Weg vorbeiführen. Hier müssen wir bewusst unsere Stärken ausspielen – unsere regionale Verankerung, aber auch unsere demokratische Verfasstheit als Genossenschaft oder kommunales Unternehmen. Das ist der entscheidende Wettbewerbsvorteil, den wir als soziale Wohnungswirtschaft auch in einer bewegten Zukunft haben“, betonte Frank Emrich.
Im Verband Thüringer Wohnungs- und Immobilienwirtschaft e. V. (vtw) haben sich 221 Mitgliedsunternehmen, darunter 178 Wohnungsunternehmen, zusammengeschlossen. Nahezu jeder zweite Mieter in Thüringen wohnt bei einem Mitgliedsunternehmen des vtw. Seit 1990 investierten vtw-Mitglieder rund 13,7 Milliarden Euro überwiegend in den Wohnungsbestand. Gemeinsam bewirtschaften sie fast 264.000 Wohnungen.